Entweder Du liebst Cloud Rap oder Du hasst ihn, einen Zustand irgendwo dazwischen gibt es selten. Der Schwede Yung Lean verändert das. Sein düsteres Album Stranger klingt anders als alles, was das Genre bisher hervorgebracht hat.
Auf der linken Halsseite einen Dämon mit fledermausartigen Flügeln. Auf der rechten Seite einen süßen Pluto. Man muss nur den Kopf von Yung Lean nach unten wandern, um viel über den 21-jährigen Rapper zu erfahren. Da ist einerseits der Mensch, der mit Drogen verhaftet wird und mit Überdosis und Angstzuständen in der Klinik aufwacht. Andererseits ist da der junge Künstler, der spielerisch Hits dropped, eine Welttournee spielt und seine eigenen Klamotten entwirft.
Dieses Bipolare lebt Yung Lean in seinen Songs aus. Hunting My Own Skin ist ein typischer amerikanischer Road-Trip-Song, den die kalifornischen Kids im Cabrio hören, wenn sie nach dem letzten Schultag in die Ferien aufbrechen: entspannter, melodischer Beat, lockerer Rap. Textlich verarbeitet der Schwede allerdings seine Drogensucht und liefert biblische Verweise: „As I walk through the fire with my wings.“
Red Bottom Sky steht dem in nichts nach. Von der ersten Sekunde nimmt die Melodie und Leans verhallter Singsang Dich mit: Entkommen ist zwecklos. So rhythmisch der Song klingt, so düster ist der Text. „Paint a picture like Van Gogh, I’m cursed man“, verweist der Rapper auf seine Depressionen und erneut die religiöse Anspielung: “I’m in a dark room, candles singing hallelujah.”
Textlich ist Stranger ein düsteres Album. Auf seinem Cover sind Dämonen mit spitzen Ohren und Hörnern, die u.a. eine Frau wegtransportieren. Musikalisch ist es ein revolutionäres Werk. Lean beweist, dass Cloud Rap nicht nur billige Synthie-Bässe und Auto-Tune sein müssen, sondern tatsächlich auch nach Musik klingen können. Es gibt nur wenige Songs, auf denen der 21-Jährige tatsächlich rappt (Metallic Intuition/Muddy Sea). Viel mehr singt Yung Lean auf zurückhaltende Beats und erinnert eher an King Krule (Silver Arrows/Agony) als an seine Genrebrüder Yung Hurn oder RIN.
Dabei hat es vor vielen Jahren erst so ausgesehen, als würde Yung Lean der schwedische Money Boy werden. 2013 lädt er Musik auf YouTube hoch und wird erstmals in Nischen-Musik-Magazinen als aufstrebender Debütant gefeiert. Er rappt auf dicken Bässen mit verzerrter Stimme über leckere Milchshakes und Gatorade. Der Unterschied zu Money Boy ist allerdings: Yung Lean meint es von Anfang an ernst mit seiner Musik. Während Journalisten und Unternehmen gerade Twitter für sich entdecken, nutzt der damals 17-Jährige die Plattform, um sich mit seinen Vorbildern und Produzenten aus den USA zu vernetzen. Er gründet zwei eigene Labels und released seine ersten beiden Alben (Unknown Mercury/Warlord) komplett indepedent. Heute hat der Schwede einen so eigenen Sound entwickelt, mit diesen zurückgenommenen, melodischen Beats und seinem Gesang, der seinesgleichen sucht. Stranger krempelt den Cloud Rap um, von kitschig zu düster, und hebt ihn von der Stufe oftmals schwer erträglich auf musikalisches Niveau.
(Julian Beyer, eldoradio*)
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