Mit ihrem fünften Album wollen Lali Puna tanzbarer werden. Das gelingt der Münchener Band nur in Maßen. Dafür bietet Two Windows aber etwas Anderes.
Lali Punas Sängerin, Valerie Trebeljahr, hat sich auf Two Windows zwei Wünsche erfüllt: Sie hat ihre beiden männlichen Kollegen Christian Heiss (Keyboard) und Christoph Brandner (Schlagzeug) überredet, dem Alternative Rock und Indietronic den Rücken zu kehren. Das fünfte Album Two Windows ist eine Mischung aus Elektropop und industrieller Housemusic – anders als die letzten Vorgänger Faking The Books (2004) und Our Inventions (2010). Darüber hinaus hat Trebeljahr auf dem Album auch einen persönlichen Wandel verarbeitet.
Sieben Jahre sind seit Our Inventions vergangen. Trebeljahr hat in dieser Zeit ein zweites Kind bekommen sowie sich von ihrem Partner und Bandkollegen Markus Acher getrennt, der Lali Puna kurz darauf verlassen hat. Trebeljahr stand als alleinerziehende Mutter vor der Wahl: die Musik aufgeben oder neben Beruf und Kindern noch ein nächstes Album aufnehmen? Deshalb nennt sie Two Windows auch ihre Emanzipation. „Ich glaube, die meisten Frauen haben dieses Schicksal, dass sie irgendwann sehr viel aufgegeben haben, dafür dass sie die Familie zusammengehalten haben und die Kinder betreut haben. Ich glaube, es wird ihnen letztendlich nicht gedankt. Ich habe mir einfach gesagt, ich will die Musik nicht komplett allem anderen unterordnen“, erklärt Trebeljahr im Interview mit eldoradio*.
Ihre Gedanken über Trennung, Musik, die Erziehung ihrer Kinder, aber auch ihre eigene – „Ich bin sehr konservativ erzogen worden. Da ist natürlich das Ideal, eine Familie zu gründen. Da war es nicht unbedingt vorgesehen, dass die Frau auch eine Karriere machen könnte“ – überträgt Trebeljahr in die zwölf Songs auf Two Windows. „Where will we go, after today / Where will we go after all“ fragt sie in Wear My Heart. Im Song Head Up High heißt es: „If you ask me, I would take your hand and say / Carry your head up high“. Und einer noch: „Time to sit here and watch the world go mad / I’m asking for a break / I’m asking for some rest“ meint Trebeljahr auf Her Daily Back.
Diese Texte und die Tatsache, dass Valerie Trebeljahr mehr flüstert als singt, schaffen eine große Nähe zwischen ihr und den Zuhörerinnen und Zuhörern. Das machen die Songs von Lali Puna sehr persönlich. Tanzbarer werden sie dadurch allerdings nicht. Wear My Heart, Head Up High und Her Daily Back sind ruhig und kommen mit minimalistischem Einsatz von Instrumenten und Elektronik aus. Diese Songs erlauben vielleicht ein verliebtes Schunkeln, aber kein Tanzen.
Tanzbarer sind da schon Lieder wie Wonderland, das mit einem eingängigen Beat aus Drums, Streichern und Elektroeffekten daherkommt, oder das Kings Of Leon-Cover The Bucket. Bei diesen Tracks handelt es sich allerdings um Ausnahmen. Die restlichen Songs auf Two Windows sind entweder friedlich und leise oder sie sind nicht einschätzbar: Die gleichnamige Titelsingle des Albums beispielsweise kombiniert Klangkompositionen aus industriellem House mit Elektroeffekten. Zeitweise klingt es nach einem Wecker, der einen morgens davon abhält, die Vorlesung nicht zu verschlafen. Dazu spielt Lali Puna einen monotonen Ambient-Beat, ehe der Rhythmus wechselt und der Beat plötzlich nur noch aus ständigem Klatschen besteht. Außerdem rauscht und ruckelt alles, als hätte bei Lali Puna gerade die Floppydisk für einen Systemabsturz eines Uraltrechners gesorgt. Wie soll man dazu tanzen?
Die Abwechslung ist gleichzeitig der Trumpf von Two Windows. Wer die Songs hört, wird oft überrascht, das einzige Vorhersehbare ist Trebeljahrs flüsternde Stimme. Ob sie nach ihrer persönlichen Emanzipation auch noch ein weiteres Album produzieren kann, weiß sie allerdings noch nicht. „Die Musikindustrie hat sich extrem verändert. Du kannst als Musiker heute nicht mehr von der Musik leben, es sei denn Du bist auf einer sehr viel höheren Ebene wie Beyonce. Alle Bands in einem unteren Mittelfeld müssen sich leider irgendwann etwas Anderes suchen. Früher als Lali Puna jünger war, war das einfacher, weil da konnte man noch davon leben.“
(Julian Beyer, eldoradio*)
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