Cover: Title Fight - Hyperview

Benebelt, hintergründig und beunruhigend - das dritte Studioalbum von Title Fight hat an Geschwindigkeit verloren und offenbart mit großen, lyrischen Bildern jetzt noch mehr vom Seelenunheil der Band.

Drei Jahre sind vergangen, seit Title Fight mit Floral Green elf energiegeladene Tracks über Depressionen, Beziehungen, Einsamkeit und ihr Innerstes rausbrachten. Das zweite Studioalbum der vier aus Pensylvania lies damals die Poppigkeit ihres Debuts "Shed" hinter sich und packte die immernoch hässlichen Gefühle in ein neues, traurigeres und sehr wütendes Gewand. Ein schreiender Ned Russin, getrieben vom Unverständnis der Gesellschaft über drei noisigen Gitarren, die sich zum Großteil weigerten eingängige Melodien zu zupfen und treibendem Schlagzeuggehämmer.
Der Ausreißer auf "Floral Green" war "Head In The Ceiling Fan". Ein Song, der über geschlagene vier Minuten zwar immer schwerer wurde, aber kaum Fahrt aufnehmen wollte. Einer, den man sich fünf mal am Stück anhören kann und der einen dann immernoch mit Unverständnis zurück lässt. Ein Track, der eigentlich auf keine Bühne passt, bei jeder Hardcore-Show die Stimmung in den Keller ziehen muss. Aber Title Fight haben kaum ein Konzert ohne diesen Song gespielt. Und nun machen sie ein ganzes Album so, mit dem Kopf im Deckenventilator.

Ned Russin hört auf zu schreien, sein Gesang verschwimmt, die Riffs werden immer reduzierter, simpler und gleichzeitig schwerer. Die Geschichten auf diesem Album werden unverständlicher, verworrener, wir tauchen ein in ganze Gefühlswelten, wie Träume, die nicht dazu geeignet sind, dass ein anderer sie liest.
Songs wie der zweieinhalb-Minüter "Hypernight" klingen fast unvollendet. Zwar zieht sich eine ungewöhnlich klare, fast fröhliche, tragende Basslinie durch den Song, an die wir unser Ohr heften und uns aufgehoben fühlen. Aber es legt sich eine Schwere auf sie, die erschlagend wirkt. Beunruhigend singt Ned Russin von der Sehnsucht nach der Dunkelheit, der Suche nach der eigenen Wahrheit. Und wenn dieser Song vor drei Jahren am Ende vielleicht irgendwann geplatzt wäre, Jamie Rhoden oder Ned Russin losgeschrien und sich von der Schwere befreit hätten, dann kann das Wabernde Unheil hier nur zurückkehren, zur Basslinie und sich ausspielen. Als wenn die vier Jungs sich nicht mehr befreien könnten, durch ihre Musik.
Ungewöhnlich straight, mit klarem Gesang und deutlich schneller als der Großteil des Albums geht "Mrahc" nach vorne. Ein Song über Liebe. Aber wehe dem, der hier denkt "wie schön". Auch diese Geschichte findet ihr böses Ende. Das Mädchen flüchtet, weil sie zu sehr geliebt wird. Sie fühlt sich erdrückt.
Der folgende "Your Pain is mine now" legt in Sachen Eingänigkeit sogar noch einen drauf: Einer der wenigen Tracks bei dem die weiche Gesangslinie deutlich über den Gitarren hervortritt und der eine wiederkehrende Hook erkennen lässt. Wenn er auch nicht weniger ungemütlich wirkt, als der Rest des Albums und natürlich in Gitarrenfeedback enden muss.

"Hyperview" ist so schwarz, wie die Sehnsucht die darauf besungen wird. Es ist ein kreativer Erguss voll Klangwelten samt Wortspielen, zerfetzten Melodien und weichgespülten Vocals. Title Fight offenbaren auf diesem Album mehr als jemals zuvor, lassen einblicken in die Düsterness ihrer Seelen und wagen es damit, sich anreifbar zu machen. "Langweilig" könnte der Punker aus der ersten Reihe von "27" schreien und "anstrengend" die Freunde von den ehemals catchy Hooks. Dafür können Title Fight von hier aus aber nochmal ganz neue Wege einschlagen, mit ihrem Sound noch näher an ein ungemütliches Lebensgefühl rücken, das ein Sprachrohr braucht und musikalisch einen noch offeneren und kreativeren Weg einschlagen. (np)

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