Albumcover: Wellness -- Immer Immer

Tarantino hätte für seinen Soundtrack zum neuesten Streifen mal in Köln nachfragen sollen: Wellness liefern Surfrock, der Uma Thurman die Säbel rasseln lassen würde und jeden Showdown in ein Blutbad verwandeln dürften. Verwirrenderweise texten die Kölner dazu deutsche Lyrik mit Charme und Romantik. So wird „Immer Immer“ zu einem extravaganten Erstlingswerk mit Einflüssen von Ennio Morricone bis AnnenMayKantereit.
 
Es geht los mit einem Rutscher übers Gitarrenbrett und einem Hit. Der erste Song auf „Immer Immer“ trägt den bedrohlichen Titel „Bazooka“ und saust durch die passend angespannte Stimmung. Während die Instrumentalbesetzung zwischen klassischem Doppelschlag mit Plektrum und ewig gleichem Postpunk-Beat des Schlagzeugs den Sound der 60er herauf beschwört, rotzt Sänger Matthias Albert in einer leidenden Lässigkeit deutsche Poesie dahin, die unerwartet kommt. „Kein Applaus für Komparsen / Ich brauch Platz, du keine Phrasen“, sagt er und schreit hinterher: „Ich bin immer noch da!“ Der Song klingt nach dem drohenden Ende einer Beziehung, offenbart sich inhaltlich aber nicht ganz.

Dem ersten Hit der Platte folgt die erste Single-Auskopplung – und vielleicht passt der Track sogar inhaltlich an die zweite Stelle auf der Titelliste. Eine Beziehung findet ihr Ende in „Exit Exit“. Und während im Text geschrien und gekämpft wird, kommt die Anmutung konträr, langsam und beschwichtigend daher. Wie ein Flehen, diese Beziehung endlich aufzugeben. Nach dem Einstieg wendet sich „Immer Immer“ dann aber doch wieder vom Charakter des Konzeptalbums ab. Das Thema bleibt die Liebe, der Sound bleibt düster und bedrohlich, aber an stringentes Geschichtenerzählen ist nicht zu denken. Ohne dass es beim Hören groß auffällt, verwebt die Band lose Fragmente wie „Bist kein Engel, keine Wunder, kein Tadaa / Bist ein Geist, eine Erinnerung, ein Vandal / Schleichst hier rum, drückst die Tür ein, klaust mir Farben“ zu einem stimmigen Ganzen, das viel Raum für Interpretationen lässt.

Die vier Kölner von Wellness haben es noch vor diesem ersten Album geschafft, dass die Österreicher von Wanda sich in sie verliebten und die Medien sie aufmerksam beobachteten. Der Sound fasziniert, weil er auf das erste Hören so durchschaubar und gleichförmig wirkt, in ausufernden Tracks wie dem schreienden „Amnestie“ dann aber auf einmal Offenheit und Weite zeigt. Was im Verlauf der Platte bleibt, ist die Western-Ästhetik und die leidende Haltung im Gesang. Das dürfte in seiner Penetranz einige Hater auf den Plan rufen. Wer Wellness hört, muss sich von großen Worten durch Alben tragen lassen wollen und übertriebene Trommelwirbel mit einem Augenzwinkern hören können, ohne gleich die Copyright-Fraktion anzurufen. Dann wird ein dreizehn Songs langes Album geliefert, das deutsche Schemata von kopierten Turbostaat-Anklagen und grammatikalisch korrekten Texten ohne sprachliche Schönheit vermeidet und stattdessen einen neuen, leidenschaftlichen und zugleich lässigen Soundtrack für den Alltag kreiert. (Nele Posthausen | eldoradio*)

 

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