Ein Mann, der mit fünf schon ganze Alben von Prince auf der Gitarre spielen kann, mit 18 Musikcontests abräumt und mit seinem Debütalbum Grammy Nominierungen und nen MTV Musikaward einsackt - so einer hat seinen Durchbruch im Pop, weil er in einem seiner Videos nackt ist. D'Angelo hat die Ironie des Schicksals erlitten. Und damit keine sehr geradlinige Musikkarriere hingelegt.
Fünf Jahre hat es von der Grammy-Nominierung bis zum weltweiten Durchbruch mit dem Song "Untitled (How Does It Feel)" gedauert. Und kaum sprechen alle über den schönen, nackten Mann, der mit so unfassbar zarter und zugleich selbstbewusster Stimme dem R'n'B eine ganz neue, ultrasoulige Schlagrichtung gibt, da verschwindet er auch schon wieder. Bis jetzt.
Völlig unvermittelt hat D'Angelo nach über 14 Jahren kurz vor Weihnachten ein neues Album rausgehauen: Black Messiah. Und alle lieben es. "Das wärmste, was Soul-Musik diesen Winter hervorgebracht hat" schreibt das Billboard-Magazine, die Musik-Kenner beim Blog Pitchfork bezeichnen das Album gleich als ganzes "Wörterbuch des Soul" und ein Stereogum-Autor stellt fest: Am Ende dieser 12 Lieder bleibt wirklich nichts mehr zu sagen.
Was an Black Messiah so faszinierend ist, ist natürlich erstmal der gelungene PR-Coup: Einfach so aus dem Nichts ein Album zaubern nach 14 Jahren ziemlicher Stille - das haut alle um. Aber nicht nur das. Überraschend ist die gesammelte Vielseitigkeit der Songs. Gerade freuen wir uns, D'Angelos Stimme, seine ehrliche Art über Liebe zu singen und seine Souligkeit im Aufmacher "Ain't That Easy" wiederzuerkenen, da haut uns der zweite Song direkt einen ganz neuen D'Angelo um die Ohren. Einen der wütend ist. Er ist wütend auf die Amerikanische Gesellschaft, widmet den Song "1000 Deaths" allen, die gerade in den USA auf die Straße gehen, um die anhaltende Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung anzuprangern. Wir hören Malcolm-X sprechen, über einem fetten, verzerrten Beat und hochgepitchten, stechenden Tönen. "1000 Deaths" rollt und donnert, ist extatisch und anhaltend sauer. Dieses Wut-Stück klingt mehr wie Rage Against The Machine, als nach erwartbarer Schmusemukke.
Und gerade wenn wir glauben, D'Angelos neue, politische Seite auf diesem Album erkannt zu haben, da kommt er wieder mit einem Bilderbuch-Gospel im Song "Prayer" zurück. Amerikanisch bis ins Mark.
Diese Widersprüchlichkeit in den Lyrics, aber auch in der Klangfarbe lässt Black Messiah nach den 14 Jahren klingen, die D'Angelo ohne uns durchlebt hat. Weil er Drogen konsumiert hat, hat er Ärger mit dem Gesetz bekommen, einem Auto-Unfall ist er nur schwer verletzt entkommen und mit mittlerweile 40 Jahren kann D'Angelo wahrscheinlich nicht mehr darauf wetten, dass sein Body noch als einzige Waffe im Kampf um Anerkennung in der Musik-Industrie ausreicht. Statt dessen probiert er sich auf diesem Album aus. Bei den Lyrics hat er Unterstützung von Co-Schreiberin Kendra Foster, mit in seine Sucht nach neuen Tracks zieht er die Band The Vanguard. Gemeinsam arrangieren sie Gitarre, Bass, Sitar und Gesang mal sehr gradlinig und mal völlig verworren. In Tracks wie "Really Love" und "Betray My Heart" entspannt er uns mit erotisch hauchendem Soul , in eher Jazz-lastigen Stücken wie "Sugah Daddy" wird das Zuhören mitunter richtig anstregend.
Es ist genau die richtige Zeit für so ein Album. Nicht nur, dass die schwarze Bewegung in den USA längst auf eine populäre Stimme an ihrer Seite gewartet hat, auch die Rückkehr des von D'Angelo mitkreierten Neo-Soul hat sich angekündigt. Immerhin kommt in letzter Zeit kein elektronischer Pop-Hit mehr ohne ein Saxophon aus und selbst ernstzunehmenden Elektro-DJs, wie Jungle oder SOHN könnte man getrost eine frische Liebe zum Soul unterstellen. D'Angelo hat diesen Zeitpunkt perfekt abgepasst und ein Album auf den Markt geworfen, das uns gespannt auf seine zukünftige Entwicklung macht. Wird es ab hier noch politischer? Driftet D'Angelo mit seiner Band ins Jammen und den Jazz ab? Vielleicht macht er ja sogar den so gerne verpöhnten R'n'B wieder salonfähig.
(np)
RÜCKSCHAU
ARCHIV
WOCHE | Künstler/Band | NAME DES ALBUMS/SONGS | MUSIKLABEL |
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KW 44/2015 | Beach Slang | The Things We Do To Find People Who Feel Like Us | Big Scary Monsters |
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KW 42/2015 | Wavves | V | Warner |
KW 41/2015 | The World is A Beautiful Place & I am No Longer Afraid To Die | Harmlessness | Epitaph |
KW 40/2015 | Julia Holter | Have You In My Wilderness | Domino Records |
KW 39/2015 | Eating Snow | Eating Snow | Freude Am Tanzen |
KW 38/2015 | Empress Of | Me | Terrible |
KW 37/2015 | Mueller_Roedelius | Imagori | Grönland |
KW 36/2015 | Beach House | Depression Cherry | Bella Union |