Cover: Future Brown - Future Brown

Zu viele Köche verderben den Brei. Muss nicht immer stimmen: Vier eigenwillige Musiker, die für ihr Alter schon eine enorme Produktionserfahrung aufweisen können, entscheiden sich, gemeinsam ein Album zu basteln und insgesamt 17 MC´s für die Rap-Parts zu verpflichten. Zu der Producer-Crew Future Brown gehören Fatima Al Qadiri aus Kuwait, die auf dem waghalsig experimentellen Londoner Label Hyperdub gesignt ist, der in NYC ansässige DJ und Labelgründer J-Cush, sowie 2 Mitglieder der Rapgruppe Nguzunguzu, deren musikalisches Spektrum so breit ist, wie wahrscheinlich alle Mitglieder bei der Namensfindung des Projektes waren (der Titel "Future Brown" geht auf einen gemeinsam Mushroom-Trip zurück, das nach einem Pitchfork-Interview wohl mit als Initialzündung der Gründung gelten könnte).

Es ist erstaunlich, dass "Future Brown" bei so viel Varianz und unterschiedlichen Backgrounds, doch so geschlossen und stringent konturiert klingt. Das Quartett präsentiert basslastige Rap-Entwürfe, die so klingen, als wollte es jegliche Old-School-Renaissance-Trends im Keim ersticken, beziehungsweise die Golden Rap-Ära endgültig ins Museum verbannen. Stücke wie "Wanna Party", für das R´n´B-Sängerin Tink verpflichtet wurde, hantieren mit Trap-Strukturen, lassen Glocken läuten, ordentlich Beats pulsieren und fügen sogar noch eine Snare-Drum ein. Produktionstechnisch ist nahezu jede Nummer ein großer Wurf und auf Gesamtlänge ist diese Scheibe tatsächlich so innovativ geraten wie die markantesten Timbaland-Singles.

Der Track "Big Homie" mischt wiederum Dancehall mit tropisch angehauchtem Grime, der auf der ganzen Scheibe ohnehin nicht zu kurz kommt und auch zu der Vermutung führt, dass Fatima Al Qadiri die meisten Fäden in der Hand hatte. Im vergangenen Jahr irritierte sie mit ihrem Debütalbum "Asiatisch" Eindeutigkeit gewohnte Ohren, in dem sie fernöstliche Klangwelten (wenn man sich auf diesen Generalnenner einigen kann) auf eigenwilligen Elektro knallen ließ. Diverse Elemente von dieser extravaganten Platte tauchen vereinzelt auch bei Future Brown wieder auf. Und auch ein halbstündiger Mix, der einzelne Albumtracks leicht modifiziert und die DJ-Skills der Gruppe beweist, wurde auf Soundcloud mit dem Hashtag "Grime" hochgeladen – das Genre, das Al Qadiri auf ihre ganz eigene Weise interpretiert hat. Immer wieder wittert man diese gewisse Ninja-Ästhetik auf "Future Brown" und die unheimlichen, schwer zu identifizierenden, aber assoziativ dem asiatischen Kulturkreis zugehörigen weiblichen Haucher, die auf den zum Teil fast schon Großraumdisco-affinen und oftmals mit mächtig Autotune genährten Kompositionen im Hintergrund durchschimmern (insbesondere auf "Talkin Bandz"). Das ist tanzbarer Culture-Clash auf Albumformat, wunderbar abgefahren und ganz eindeutig die Signatur von Al Qadiri, die für die SPEX übrigens das "Album des Jahres 2014" gemacht hat.

Dann wiederum präsentieren Future Brown smarten R´n´B, der im Verhältnis zu der restlichen Produktion fast schon konventionell genannt werden könnte. Für das weichgespülte "Dangerzone" konnten sie Kelela verpflichten, die zuletzt auf dem letzten Kindness-Album glänzte. "Vernáculo" hingegen ist Latino-Rap, der von dunklen Synthieflächen durchzogen wird und fast schon die Grenze zwischen clubkompatiblem Mainstream-Ansatz und sublim experimenteller Struktur auslotet. Insgesamt ist Future Brown ein extrem distinktives Album gelungen, das die Plastizität von Hip Hop eindrucksvoll beweist.

Selbst Rap-Neuformulieren wie beispielsweise A$AP Rocky dürfte hier die Kinnlade runterfallen. Bei stark erotisierenden Tracks wie "Room 302" dann aber auch die Baggy-, beziehungsweise Röhren-Jeans ("Fuck that, I know you wanna touch that, I´ll be waiting up in the room 302", rappt Tink selbstbewusst und verführerisch auf besagtem Opener). Dass Future Brown inhaltlich eigentlich nicht mehr zu bieten haben als Freestyle und Party-Exzess, sei dann ausnahmsweise mal verziehen. Mit "Don´t you wanna party, put some liquor in your body, fuck this club, let´s get drunk, why are you talkin´to me?" endet das Album und bei so viel Beatinnovation hat man dem tatsächlich kaum etwas hinzuzufügen. (Philipp Kressmann, CT das radio)

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