Die Faröer Inseln sind zusammen kleiner als die Dortmunder City. Mit einer Einwohnerzahl von 50 000 wären sie hier bei uns nicht einmal eine Großstadt. Ihre Hauptstadt ist Tórshavn, die kleinste Hauptstadt der Welt. Hier ist Høgni Reistrup geboren. Nachdem Høgni vier Studioalben beim Faröer Label TUTL veröffentlicht hat, ist ihm die Stadt in der TUTL der wichtigste Plattenladen gehört, TUTL jeden Dienstag die Indie-Konzerte stemmt und TUTLs Künstler regelmäßig das Tonstudio Bloch besetzen zu klein geworden. Høgni Reistrup ist die Inspiration ausgegangen.
Er ist nach Berlin gegangen. Hat sich eine Stadt gesucht, wo sich ein hipper Plattenladen an den anderen reiht, ein Club geiler sein will, als der nächste und Sinn suchende wochenlang inmitten super teurer Technik versuchen ihre kreativen Ergüsse auf Platte zu pressen. Es ist kein Wunder, dass es auf dem Album „Áðrenn vit hvörva“, das er zu einem Teil in Berlin und zu einem Teil im isländischen Reykjavík aufgenommen hat, um den krassen Gegensatz geht. Um den Gegensatz zwischen der Leere der Faröer Inseln, der Isoliertheit ihrer Einwohner und dem übersprudelnden, manchmal viel zu vollen Stadtleben. Schon die ersten paar Sekunden des Albums treiben uns diesen Gegensatz unter die Haut: Die Ruhe seiner Stimme über brodelndem Kinderlachen. Dann ist es wieder ein schwerer Synthesizer über einem hüpfenden Disco-Beat, der uns verstört und mal zeigt uns Høgni den Kulturell-Clash mit hartem Sprechgesang über ausklingenden sphärischen Tönen, die für kurze Zeit zu einem stampfenden Beat anwachsen, wie im Song "Er Tögnin Ov Larmandi". Wer dann noch Färöisch versteht, dem erzählt Høgni Reistrup Geschichten von Freude und Trauer, von Versprechen machen und sie brechen, von Freiheit und Verpflichtung, den Fallhöhen in unserem Alltag. Es sind Geschichten, die die Schwermut eines "Beautiful Blues" der Eeels in sich tragen. So schön und traurig inszeniert sind sie. Dabei erreichen sie jedoch niemals die Klarheit eines Eels-Tracks, in ihrer Disco-lastigen Elektro-Produktion.
Und dennoch: Wer hier nicht genau zuhört, könnte gelangweilt sein, weil das Album so gleichbleibend ist. Grob überflogen klingt Høgni Reistrup wie eine sehr traurige, beruhigte Version von Friska Viljor. Denn so diskrepant die Strukturen der einzelnen Songs in sich sind, so sehr bilden alle elf Tracks beim Durch hören eine Einheit. Immer wieder dominiert die klare Stimme Høgni Reistrups über anschwellenden Beats und einer zarten Klanginstallation. Immer wieder klingt diese Stimme mit dem düsteren Beigeschmack des Wave in einem langgezogenen Hall aus, der mit einer simplen Gitarren-Melodie oder leisen Claps im Hintergrund verschwindet.
Wer sich aber die Zeit nimmt, die Aufmerksamkeit auf die einzelnen Elemente legt, den hinterlässt „Áðrenn vit hvörva“ mit einem Gefühl von durchbrochener Geborgenheit. Einer warmen Wohligkeit, die in sich irgendwie nicht stimmt, Fragen aufwirft, aufwühlt. "Bevor wir uns auflösen" heißt "Áðrenn vit hvörva" übersetzt und so fühlt es sich an. Kurz vor dem Ende, da stehen wir alleine da, in einer viel zu großen Welt von kleinen Beobachtungen und großer Unsicherheit. Weil nichts so richtig stimmig ist, aber dafür traurig und schön zugleich. (Nele Posthausen | eldoradio*)
RÜCKSCHAU
ARCHIV
WOCHE | Künstler/Band | NAME DES ALBUMS/SONGS | MUSIKLABEL |
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KW 26/2017 | Ant Antic | Wealth | Seayou Records |
KW 25/2017 | Lea Porcelain | Hymn to the Night | Lea Porcelain |
KW 24/2017 | Tora | Take a Rest | Eighty Days Records |
KW 23/2017 | Corridor | Supermercado | Requiem Pour Un Twister |
KW 22/2017 | Noga Erez | Off The Radar | City Slang |
KW 21/2017 | Current Swell | When To Talk And When To Listen | Nettwerk |
KW 19/2017 | Slowdive | Slowdive | Dead Oceans |
KW 18/2017 | Little Cub | Still Life | Domino |
KW 17/2017 | Little Dragon | Season High | Because Music |
KW 16/2017 | Arca | Arca | XL Recordings |