Den Ausdruck Musik von Morgen darf man bei Let’s Eat Grandma wortwörtlich nehmen: Das Duo bestehend aus Rosa Walton und Jenny Hollingworth macht auf seinem zweiten Album I’m All Ears experimentelle Popmusik, wie sie auch 2048 im Radio laufen könnte – wenn es das Radio dann noch gibt. Wenn man auf das Alter der beiden schaut, kann man kaum glauben, dass sie erst neunzehn sind.
Doch vielleicht sind Let’s Eat Grandma gerade wegen ihrer Jugend der Zeit so weit voraus. Statt sich Geschlechterklischees von Teenage-Mädchen zu fügen, räumen sie in Hot Pink selbstbewusst damit auf. Die mit zarter Stimme besungenen Strophen und der Songtitel stehen dabei im krassen Kontrast zum aggressiven Industrial-Refrain. Let’s Eat Grandma sagten dazu in einem Interview: „If you present in a masculine way as a woman it’s seen as something unattractive. Meanwhile femininity in women is also mocked and made out to be stupid and not powerful. And then femininity in men is made fun of. It just seems like nobody’s winning.”
Klingt so, als hätten die beiden auch in jungen Jahren schon ganz schön viel verstanden. Trotzdem schwingen Let’s Eat Grandma auf I’m All Ears nie die Moralkeule, sondern porträtieren einfach das Leben als Teenager der Social-Media Generation. Und die beschäftigt natürlich wie alle Generationen vor ihr auch universelle Themen wie die Liebe – und was man tut, wenn die nicht erwidert wird. Auf Cool & Collected versuchen Let’s Eat Grandma alles, um den Schwarm zu beeindrucken, kriegen aber letztendlich doch kein Wort heraus. In Falling Into Me hingegen geht es darum, sich in einer Beziehung fallen zu lassen und seine Gefühle nicht mehr zu verbergen. Am verletzlichsten zeigen sich Let’s Eat Grandma aber in der Ballade Ava. Nur mit dem Klavier begleitet singen die Britinnen über Depressionen und den Kampf mit den inneren Dämonen und dass man Menschen nur helfen kann, wenn sie einen auch lassen.
Während ihr erstes Album Gemini eine Flucht aus der Realität darstellte, wollten Let’s Eat Grandma auf ihrem zweiten Werk offener und ehrlicher sein, um damit gerade auch junge Leute zu erreichen. Das ist ihnen auf jeden Fall gelungen. I’m All Ears dürfte die Teenagerseele 2018 genauso gut beschreiben wie 2048.
(Jacqueline Winkler, CampusFM)
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