Cover: Philipp Gorbachev - Silver Album

"The first russian dance album" - so bewirbt sich das Debüt des Underground-Performers Philipp Gorbachev aus Russland, dessen erste Single "Arrest Me" allen weltweit Verhafteten gewidmet ist. Das muss sicher gar nicht politisch gedeutet werden, doch "Silver Album" positioniert sich zumindest in dem Sinne international, als sein Sound nach klassischen Techno klingt, der Soundgestus an Punk-Experimentierfreude erinnert und immer wieder Synthiepop-Elemente durchschimmern. Außerdem natürlich markant: Gorbachev singt russisch.

Diese musikalische Offenheit wird auch in der Vita ersichtlich: Längere Zeit hat sich Gorbachev in Berlin niedergelassen, wo er einem international agierendem Künstlerkollektiv beigetreten ist. Gesignt ist Gorbachev auf dem Dance-Label Cómeme, um den Vertrieb sorgt sich das Kölner Ur-Techno-Label Kompakt. Gorbachev singt größtenteils in seiner Muttersprache und auch die Songtitel sind noch einmal zusätzlich dem kyrillischen Alphabet gemäß vermerkt. Doch gerade dadurch gewinnen die Kompositionen selbst in den monotonen Sequenzen oft eine geheimnisvolle Anziehungskraft. Das liegt wohl daran, dass der Großteil immer noch natürlich instrumentiert ist, die Beats handgemacht sind und deswegen nicht nach dem Flair konventionell eintöniger Clubmusik klingen.

Vor allem spürt man schon in den ersten Gesangstakten, dass einem die russische Sprache im Songkontext doch eher ungewohnt ist. Vor allem im Falle Gorbachevs, der spricht, ruft, singt, animiert – und so eine ganz eigene Soundästhetik generiert. "Distance" drescht mit seinen Pads und Elektro-Drums so sehr gegen den Takt und doch passt alles ineinander. Wie ein energetischer DJ, der beim Mischen vollkommen aus dem Takt, aber dann noch gerade so wieder rein kommt. Battles-Drummer John Stanier war bei den Aufnahmen im Übrigen auch dabei, sicherlich ein positiver Umstand für musikalische Versuchskaninchen. Die Keyboard-Sessions auf "Arrest Me" etwa ziehen auf klarem Beat-Unterbau vor, der aber auch Platz für Beatbox-artige Interventionen hat.

Den Live-Elan vernimmt man besonders deutlich auf dem stampfendem "Europe": Percussion, Sticks und Synthies finden sich in polyrhytmischer Struktur wieder. Gorbachev ist sozusagen im Takt gegen den Takt. Hier einen sich die Gegensätze. Inwiefern man das jetzt auf die politische Identität von Europa beziehen kann, bleibt offen. Gorbachev kann man nur eine Aussage entlocken: "Serving dance audiences around the globe, this music is dedicated to freedom", heißt es auf seinem Profil auf Kompakt. Nicht mehr und nicht weniger, bietet "Silver Album". Allerdings mit einigen Irritationsmomenten. Das, was man hört, hat man vage woanders schon einmal in etwa vernommen. Unmittelbar popkulturell einordnen kann man es zumindest nicht.

Die Soundidentität von Gorbachev speist sich jedenfalls aus vielen Mustern: gerade die (programmatische) Nummer "New Sound" beherbergt 80´er Drums, Rave-Pop und selbst Bläser-Soli. "Silver Album Symphony" hingegen präsentiert sich minimalistisch mit Streichern, während "What do you need" mit einer Fusion von Techno, Kraut und Bläser-Fanfaren die Odysee beendet. Ein mehr als interessantes Album mit viel Absetzungspotential vom zeitgenössischem Technopopverständnis.

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