Bereits im früher in diesem Jahr veröffentlichte Recondite die Tracks „Think Twice“ und „Serak“ sowie „Undulate“ und „Limber“, um sein neues Album anzukündigen und klarzustellen, dass das Niveau des dritten Albums „Iffy“ aus dem letzten Jahr locker zu halten ist. „Undulate“, das als einziger Track den Sprung von der EP aufs Album geschafft hat, verdeutlicht das nur zu gut. Es beginnt mit ungewohnt hohen Tönen, aber sobald der Bass einsetzt, ist alles beim Alten. Synthetisches Wellenrauschen mischt sich in eine sphärische Klangwelt, für die Recondite seit Release seines Debüts „On Acid“ vor drei Jahren fast exemplarisch steht.
In einer Zeit, in der sich Techno längst aus der Subkulturnische verabschiedet hat und es fast so viele Produzenten und DJs gibt wie Menschen in der Schlange vor dem Berghain, ist es umso bemerkenswerter, dass Lorenz Brunner eine derart charakteristische Klangfarbe aufrechterhalten kann. Zehn Sekunden eines neuen Tracks reichen und der Schöpfer dieses Ambient Techno steht fest. Beispielhaft kann hierfür schon der Albumopener „Compel“ gelten, den Absurd Recordings im Vorhinein als weiteren Albumteaser ins Internet stellte. Dem Titel nach geht es hier um Zwang oder Nötigung und tatsächlich sind die schnelle Beatzahl und der alles einhüllende Bass, der sich neben organischen Noise-Elementen und den schwingenden Synthies unaufhaltsam und bedrohlich durch den Track wälzt, nicht von der freundlichen Sorte.
Fröhlichkeit ist nicht Recondites Sache. Das zeigt zum Beispiel „Poised“. Und auch das bedrohlich triumphale „Subdue“ reiht sich hier ein, wenn es neue Gefilde erschließt, dabei alles in seinem Weg überwalzt und den Weg für „Ley“ ebnet. Letzteres hat mit der Weidelandschaft aus seinem Namen erst einmal nicht viel gemein. Die hohe Beatzahl erzeugt dystopische Bilder, die erst sukzessiv von weicheren Klanglinien durchbrochen werden. Einen ähnlich technoiden Touch verpasst Recondites Labelkollege Tale Of Us dem Track „Sequenze“.
Generell setzt Brunner bei den neuen Tracks auf beschreibende Benennungen mit sehr plastischer Bedeutung statt auf malerische Fantasieworte wie beim Vorgängeralbum. Der Titel „Undulate“ beispielsweise rekurriert auf die charakteristischen fließenden Synthiewellen des Tracks. Während auf „Iffy“ der Wortbedeutung folgend noch gezweifelt wurde (was Tracks wie „Buteo“ und „Tame“ nur zu gut verdeutlichten), ist bei „Placid“ vermeintlich Gemütlichkeit und Gelassenheit eingekehrt. Der Titeltrack spricht eine andere Sprache, denn den breit angelegten Basslauf treiben ein unnachgiebiger 4/4-Beat und Hihats nach vorne.
Eine fast allgegenwärtige Bedrohlichkeit und Schwermut ist dem Sound erhalten geblieben. „Pass Up“ handelt von Verzicht und wirft die Person vor den Lautsprechern beim Zuhören mit oder ohne diese wörtliche Bedeutungsebene unweigerlich auf sich selbst zurück. Introspektiv und introvertiert im direkten Wortsinn ist diese Musik, für manche Gemüter deshalb vielleicht auch schwer zu ertragen. Ein riesiger Klangraum möchte hier mit Bedeutungen, Gedanken und Gefühlen gefüllt werden und verlangt dadurch beim Zuhören und Mitreisen einiges ab. Den Schluss des fast einstündigen Ambient-Trips bereitet „Nifty“ mit einem erhebend eleganten Sound, der den düsteren Grundtonus hinter sich lässt. "Placid" ist eine weitere Stunde mit Recondite im Nirgendwo, schwer zu fassen und deshalb umso faszinierender. (Bene Wescott | CT das radio)
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