Albumcover.

Im Oktober 2014 taucht in der britischen Grime-Nation der Hashtag #merky auf. Das ist umgangssprachlich für „verdammt gute Musik“. Der Hashtag findet sich in den Songs und unter den Postings eines großen, schwarzen bisher unbekannten Grime MC in Adidas-Klamotten. Jetzt bringt dieser MC sein Debüt-Album auf den Markt: Stormzys Gang Signs & Prayers steigt in UK auf Platz 1 der Albumcharts ein.

Grime ist ein britisches Musikgenre, was in Deutschland noch recht unbekannt ist. Der Begriff könnte als Gangster-Rhyme übersetzt werden oder als grimmiger Rap. Aggressive Bass- und Beatspuren sind die Grundlage für schnelle Punchlines – intelligent, frech und böse. Stormzy ist der neueste Name auf einer langen Liste von britischen Künstlern wie Wiley, Skepta, Dizzee Rascal und Lethal Bizzle. Trotzdem dürfte erst das Debüt Gang Signs & Prayers des 23-Jährigen dazu beitragen, das Genre auch hierzulande salonfähig zu machen. Stormzy unterscheidet nämlich ein wichtiges Merkmal von den anderen Grime MC: So richtig grimmig sind nämlich nur wenige Songs auf seinem Album.

Stormzy rappt in Blinded By Your Grace über die Kraft und Güte von Gott: „I said a prayer this morning / I prayed I would find the way to another day, I was so afraid / Til you came and saved.“ Der Song hat keine fetten Beats, sondern einen Gospelchor. Im Video steht Stormzy nicht etwa vor einem Londoner Plattenbau und guckt wie ein Kleinkrimineller mit zusammengekniffenen Augen in die Kamera; er steht in einer Kirche und lacht. Velvet / Jenny Francis Interlude ist ein Lied über eine verschmähte Liebe. Auch hier verzichtet Stormzy auf typische Grime-Elemente. Stattdessen wählt er einen klassischen R’n’B-Sound, einfacher Hintergrund-Beat, Sängerin im Refrain. Am Ende singt Stormzy den Refrain selbst – und zwar a capella mit dem Zusatz: „Man thought that Stormzy couldn’t sing.“

Gang Signs & Prayers ist keine Neuinterpretation des Genres, aber eine klangliche und inhaltliche Weiterentwicklung definitiv. Stormzy zeigt auf eingängige Weise, dass Grime auch tiefergehende Nachrichten transportieren kann. Viele der Songs thematisieren die Depression, unter der er gelitten hat. Im Interview mit Channel 4 sagt der Grime MC: „Meine Familie und Freunde wissen von meiner Depression, aber ich war mir nicht sicher, ob ich der ganzen Welt davon erzählen wollte. Was mich dazu gebracht hat, doch darüber zu sprechen, ist die Tatsache, dass ich möglicherweise damit anderen Menschen helfen kann, die gerade ähnliches durchleben.“

Selbstverständlich finden sich aber auch diese vor Selbstbewusstsein strotzenden Grime-Songs auf dem Album, die das Genre bisher ausschließlich ausmachten. Allerdings nimmt Stormzy auch hier eine Erweiterung vor, indem er nie vergisst, wo er herkommt. „I just went to the park with my friends, and I charted“, erzählt er in Cold, einem Song über seinen Aufstieg vom Unbekannten zum Star. Shut Up ist ein Track, der ganz ohne Refrain auskommt. Stattdessen ist es ein knapp drei Minuten dauernder Monolog von Stormzy voller Punchlines und Lobpreisungen seiner Musik: „I might sing but I ain’t sold out / Nowadays all of my shows sould out / Headline tour, yeah blud, sould out / When we roll in, they roll out.“ In Return Of The Rucksack – noch so einer Ich-Bin-Der-Geilste-Nummer – rappt er: „If I slap you face it’ll go viral“, und fügt hinzu: „Man, I told these niggas that it’s album time and it’ll propably go gold on my debut.“ Gold gibt es für 100.000 verkaufte Alben. So weit ist Gang Signs & Prayers noch nicht, aber es ist bereits jetzt das Grime-Album, das am schnellsten auf Platz 1 der Albumcharts in Großbritannien gelandet ist – durch seine Abwechslung zwischen schnellen Beats und bösen Texten auf der einen, und gefühlvollen Versen und Melodien auf der anderen Seite.

(Julian Beyer ,eldoradio*)

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