Cover: Trümmer - Trümmer

Abgesehen davon, dass der Begriff „Hamburger Schule“ bei ihren vermeintlichen Repräsentanten oftmals eher für Unbehagen sorgt, kann dieser Stempel – auch wenn er als Kompliment gemeint ist – bei jungen Bands genau das erzeugen,  was vermieden werden soll: Nostalgie. So auch im Falle von Trümmer, drei Zugezogene aus Hamburg, die trotz relativ wenig Material schon seit letztem Jahr überregionale Präsenz genießen.

Beim Trio geht es nicht um das Zurück, sondern um das Nachvorne. Programmatisch bringt das Sänger und Gitarrist Paul Pötsch im Opener „Schutt und Asche“ auf den Punkt: „Vor uns liegt immer noch mehr als hinter uns.“ Doch diese tendenziell optimistische Perspektive muss erkämpft werden, die Folgen von Krach, Schmutz und Staub müssen erst einmal weggefegt werden. Das wissen Trümmer ganz genau.

Und das ist gar nicht mal so einfach, denn die allgemeine Grundstimmung ist trist. Und das fängt schon bei den kleinen Lügen im Alltag an, die man unterbewusst auch selbst reproduziert („Scheinbar“). Trümmer arbeiten sich an den Teenager-Angst-Themenfeldern „Lethargie, Langeweile“ ab und wollen sich vom panökonomisch geprägten Konformismus abgrenzen. Das Ziel womöglich ein Weckruf an die Generation, die gar keine andere Welt als die vom Bologna-Effizienzdenken verwaltete mehr kennt. „Selbst die Studenten hetzen Hausarbeiten und Zwischentiteln hinterher. Für was? Das kann es doch nicht gewesen sein“, beschwert sich Pötsch etwa im Band-Profil. In verwandtem Sinne kann man den stampfenden Postrock von „Wo ist die Euphorie?“ auch als einen Kommentar auf die Gentrifizierung der Hafenstadt lesen, die ja mittlerweile selbst das Kulturgut Reeperbahn kolonialisiert hat.

Statt Malen nach Zahlen ringen Trümmer mit viel Spielfreude um das, was heute immer mehr Gefahr läuft, sich aufzulösen: reine Spontaneität. Um die zu retten, helfen gezielter Kontrollverlust (das krachend treibende „Der Saboteur“) und Gegenentwürfe von „Straßen voller Schmutz.“  Die von Pötschs rauchig-krächzender Stimme vorgetragenen Texte wirken größtenteils sehr pointiert, da sie es schaffen, Unbehagen zu artikulieren ohne dabei moralisierend den Zeigefinger zu erheben. Sie passen zum Gesamtsound, der ein wenig an das frühe Blumfeld erinnert, aber noch stärker an aktuelle Bands wie Vierkanttretlager oder Die Nerven angelehnt ist.

Man verzeiht der Band auch kurzweilige Passagen, die ein wenig nach „Hauptsache es reimt sich“-Lyrik riechen. Denn trotz einer gehörigen Portion Wut im Bauch und der euphorischen Aufbruchsstimmung, die Trümmer evozieren, verliert sich die Band nie in Naivität, auch wenn das leicht kitschige Schlusslicht „Morgenlicht“ mit seiner Vision eines dem Alltag entrückten Lebens ein wenig an die utopischen Skizzen der Scherben klingt: „Wir verlangen vom Leben, dass es uns gehört und wir fangen einfach auf, was in der Luft rumschwirrt.“ Das ist viel direkter als der frühe Distelmeyer und im Gegensatz zur ersten Tocotronic-Phase auch absolut ironiefrei. Aber warum so viel von der Hamburger Schule sprechen? Trümmer liefern eine spannende Platte, genau zur richtigen Zeit. (Philipp Kressmann, CT das radio)

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