Cover: Harmlessness

Abgeklärt und planvoll: Seit ihrem zwei Jahre alten Debüt-Album haben „The World is a Beautiful Place & I am No Longer Afraid To Die“ einiges an überzogener Dramatik abgelegt und mit „Harmlessness“ eine neue Gelassenheit im ambitionierten Dasein einer Band zwischen Emocore und experimentellem Postrock entwickelt. Stimmlich, atmosphärisch und konzeptionell macht das Album viele Schritte nach vorne und nur ganz selten einen zurück.

TWIABP arbeiten ohnehin schrittweise: Seit sie sich 2009 in Connecticut zusammen getan haben gab es hier eine Demo, da ein paar EPs, 2013 dann das erste Album und jetzt folgt Langspielplatte Nummer zwei. Die Entwicklung der Band ist dementsprechend kleinschrittig zu beobachten. So sind auf dem neuesten Werk Fortsetzungen von Gimmicks wie den regelmäßigen Instrumental-Tracks der Band, die sie durchnummeriert in ihren Veröffentlichungen unterbringen (mittlerweile ist es #11) zu finden. Auch gibt es wieder ineinandergreifende Tracks, deren Sound-Gewaber am Ende in den nächsten überleitet. Treu bleibt sich die Band auch mit der Themenwahl: Liebe, endende Liebe, jung sein und älter werden. Vor allem ist „Harmlessness“ aber ein Werk in sich, das durch die stetige Abwechslung kurzer, poppiger Tracks und sich langsam aufbauender, atmosphärischer Stücke seinen Spannungsbogen halten kann und die Band von einem Genre ins andere schubst.

Schon der Opener „You can’t live forever“ erschafft durch absolut reduziertes Gitarrenspiel und abgeklärt, bis gelangweilten Gesang zu den ganz großen philosophischen Fragen ein Gefühl von unguter bis trauriger Wärme. Tatsächlich ist es die absolute Harmlosigkeit mit der hier Todessehnsucht, Ratlosigkeit und die Frage, was wir hier eigentlich machen, in den ersten zwei Minuten abgefeuert werden. Der Song macht nach der Hälfte erst das ganz große Fass auf, lässt Keyboard, Cello, stampfende Beats und Background-Gesang heranstampfen, wie es alternative Chartstürmer mit Popeinschlag nicht besser machen könnten, um dann doch noch ganz leise zu enden: „If you think, that the world is alright – that’s a lie“. Wie hundsgemein!
Im gleichen Stil nimmt uns „Harmlessness“ fast eine Stunde lang mit durch Sinn- und Gefühlskrisen. Die Single „January 10th, 2014“ bringt mit schweren Title Fight-Gitarren und heftigem Rhythmuswechsel Harcore-Stimmung auf, wird uns auf Konzerten schwitzen, uns in die Arme von anderen semi-guten Sängern fliegen lassen und die Sing-A-Long-Zeile „Make Evil afraid of evils Shadow“ krallt sich schon beim ersten Hören bittersüß in unseren Kehlen fest. Das Stück ist eine Kombination aus Wahrheit und Mythos über zwei Geschichten von Rache. Ähnlich kräftig geht „Rage Against the Dying oft the Light“ zur Sache, das eigentlich ein verkapptes Acht-Minuten-Stück ist und erst mit dem anschließenden „Ra Patera Dance“ seine volle melodische Entfaltung findet. Schade aber dass keins dieser ziemlich fett instrumentierten Stücke an die härte von einem „Getting Sodas“ des Vorgängers heran kommt.

Seine gefühlsmäßigen Tierpunkt erreicht die Platte vielleicht mit „Mental Health“. Das Stück mit verworrenen Textpassagen und gezupftem Cello könnte auch aus den trautigsten Phasen eines Rocky Votolato entsprungen sein. Es holt die Platte aber angenehm runter und beschwert die Seele zugleich mit seiner Langsamkeit. Im selben schleppenden Tempo macht die Band mit „Wendover“ weiter und schafft es mit durchdringender Snare und erheiterndem Key-Board-Einsatz trotzdem die Stimmung um zweihundert Prozent zu heben. Ein Track, der es in die nächtlichen Playlisten von Indie-begeisterten Jugendradios schaffen könnte. Diese würden allerdings bei den letzten beiden Tracks von „Harmlessness“ dann definitiv alle Regler wieder runterziehen. „Mount Hum“ und „I Can Be Afraid of Anything“ wagen sich nochmal stark in Richtung Zehn-Minuten-Marke, brauchen beide lange um sich auszubreiten, einen dichten Klang-Teppich zu schaffen, helle Momente mit Keyboard und glasklaren Gitarren gegen sich schleppende Schlagzeugbeats und deftige Fills gegen verzerrte Akkorde kämpfen zu lassen.

Wer will, der könnte vor diesen beiden letzten, anstrengenden Tracks aussteigen und „Harmlessness“ als ein überdurchschnittlich gutes, kreatives und sich wenig selbst bemitleidendes Emo-Album hören, das seiner Schublade deutlich entwachsen ist. Gibt man sich aber diese ausufernden Stücke noch einmal in seiner vollen Ausführlichkeit, wird klar, dass TWIABP noch größere Ambitionen haben. „Harmlessness“ sprengt das enge Korsett des leicht nervigen Selbstmitleids in das die Band vielleicht zuvor noch hier und da verfallen ist und schafft eine kühle Distanz, die Emo als Genre mit einer riesigen Gefühlsbandbreite neu definiert und von Field-Recordings bis leiser Mehrstimmigkeit alles erlaubt, was nicht unnatürlich wirkt. (Nele Posthausen)

 

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