„This is how it starts“ sagt Charlie Steen zu Beginn des Songs The Lick und trägt die folgenden Zeilen im Sprechgesang so selbstbewusst vor, dass es scheint, als handele es sich bei Shame nicht um eine Band voller Frischlinge, sondern um durchwiefte Post-Punk-Profis. Songs of Praise ist eigentlich das Debüt-Album der im Durchschnitt gerade mal 19-Jährigen aus London, legt aber eine Attitüde vor, die voller Selbstvertrauen, Rotzigkeit und Wut strotzt und sich in eine lange Erbfolge von britischen Punk-Bands reiht.
Um 2015 herum wurden die Newcomer vor allem von Truppen wie IDLES unter die Fittiche genommen und machten sich im Londoner Stadtteil Brixton einen Namen als großartige Live-Band. Es folgten Vorband-Plätze bei Acts wie Warpaint, sowie starke Singles wie One Rizla, die den Eindruck festigten, dass aus Shame etwas Großes entstehen könnte. Statt aber am Druck zu scheitern, legt die Band mit Songs of Praise ein Debüt vor, das insbesondere wegen seiner Wandlungsfähigkeit gefällt.
Seien es reine Hardcore-Anleihen (Dust In Trial), wechselseitiges Shouting (Concrete), oder punkige Indie-Hymnen (One Rizla), Shame wissen, die Spannung hochzuhalten, indem sie sich bei all jenen Genres bedienen, die sich an der Grenze zum Post-Punk bewegen. Dabei hilft es natürlich auch, einen Frontmann wie Charlie Steen zu haben, der die nötige Lässigkeit, Selbstironie und Dreistigkeit in seiner Haltung impliziert, um der Musik die nötige Authentizität zu geben. Im angesprochenen The Lick erinnert Steen dann gerne mal an Protomartyrs Joe Casey, erscheint textlich aber nicht ganz so düster und zynisch.
Hier zeigen sich im Detail dann Unterschiede zu den erfahrenen Bands der Szene: während ein Joe Casey die Rolle des zynischen, betrunkenen Philosophiedozenten in der Spelunke nebenan perfekt in seiner Haltung vorzugeben vermag, kommt bei Steen hier und da noch die Jugendlichkeit durch. Das muss allerdings nichts Schlechtes sein, hat der eine dem anderen doch etwa 20 Jahre Lebenserfahrung voraus.
Zum Ende von Songs of Praise legen Shame mit Angie dann noch einmal ein Highlight vor, das mit ausgedehnten Passagen und einer gewissen Langsamkeit dieses Album sehr gut abrundet. Was dieses Erstlingswerk bemerkenswert macht, ist eben jene Selbstverständlichkeit, mit der die Band ihre Musik vorzutragen weiß. Und zeigt zwei Dinge im Besonderen: Dass das Mutterland des Punk immer noch Großbritannien zu ist, und dass es auch im jungen Alter möglich ist, Musik frei von Naivität zu machen.
(Pierre Rosinsky, CT das radio)
RÜCKSCHAU
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