Cover: Yorkston, Thorne, Khan - Everything Sacred

Zum Beginn des Jahres 2016 stehen die musikalischen Zeichen direkt auf "Weltmusik". Yorkston, Thorne und Khan bringen mit ihrem gemeinsamen Debüt "Everything Scared" ein wahres Potpourri unterschiedlicher Soundeinflüsse mit, weshalb eine kurze Vorstellung der Charaktere - wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten - naheliegt:

James Yorkston, Initiator der Kollaboration, arbeitete  bereits in der Vergangenheit mit Größen wie Hot Chip Frontmann Alexis Taylor zusammen. Er ist verantwortlich für den typischen Folk-Einfluss auf der Platte. Im schottischen Kingsbarns geboren, verschlug es ihn bereits früh in unterschiedlichste musikalische Sphären. So spielte er zunächst Bass in einer Punkband. Vom Punk abgewandt folgten weitere Kollaborationen und Solo-Erfolge für den mittvierziger Schotten.

Talent Nummer zwei trägt den Namen Suhail Yusuf Khan, der als wahrer Virtuose an der Sarangi gilt. Das ist ein, in Indien und Pakistan weit verbreitetes Kasteninstrument, das vom Klang her an eine Geige oder Gambe erinnert. Das Können an diesem, für europäische Augen und Ohren exotischem Instrument ist Khan dabei bereits in die Wiege gelegt: Schon sein Großvater Ustad Sabri Khan galt als Meister an der Sarangi. Zahlreiche Festival und Konzertauftritte verzeichnet Suhail Yusuf Khan seither in seinem musikalischen Portfolio.

Für die "Tiefe" in der dreiköpfigen Kollaboration sorgt schließlich Jon Thorne. Der britische Kontrabassist ist für die breite Basis der Musikzusammenstellungen auf "Everything Scared" zuständig. Nur der Kontrabass liefert diesen unvergleichlichen, schnarrend-beruhigenden Soundtonus, der die gesamte Scheibe durchzieht. Thorne hat dabei keine klassisch musikalische Ausbildung durchlaufen sondern sich als Autodidakt das Spiel am größten Bass-Instrument der Welt in der Jazz-Musik angeeignet. 

Wie dieser unterschiedlichen Musikbiographien zusammenpassen, erfährt der Hörer bereits in den ersten paar Takten vom Album-Opener "Knochentanz". Yorkstons sanftes Gitarrenspiel wird zunächst durch einige angezupfte Bassnoten unterstützt. Nach ein paar Takten gemächlichen Austauschs dieser beiden, wohl bekannten Instrumente, setzt Khans Sarangi-Spiel ein und verleiht der Musik den angepriesenen Hauch weltmusikalischen Charakters. Abwechslungsreich bleibt "Knochentanz" auch ganz ohne Stimme und entfaltet seine musikalischen Stärken als instrumentales Intro. Woher hier der Titel des Songs "Knochentanz" rührt, wird spätestens zum Ende hin deutlich: im Kopf der Zuhörenden steigt ein Bild von tanzenden Menschen auf, die sich rhythmisch zur Musik bewegen.

Der Albumtitel-gebende Song "Everything Scared" startet wie auch "Knochentanz" mit Yorkstons Gitarrenspiel. Die Atmosphäre ist allerdings eine andere: Nachdenklichkeit und Melancholie sind hier gegenwärtig. Es geht um die Loslösung vom Leben, den damit verbundenen Schmerz und das Alleinsein. Yorkston verpackt dies in dem von ihm selbst gesungenen Songtext. So bildet sich eine traurige Szenerie heraus, die dem Rest des Albums eher entgegengesetzt wirkt, da die fröhlich positiven Klänge überwiegen. Der zweite Textteil wird hier in einer anderen, vermutlich der indischen Sprache gesungen, was die Ambivalenz des Albums unterstreicht.

"Broken Wave", der vorletzte Song des Albums, überrascht zunächst mit seiner Geradlinigkeit in Bezug auf seine Soundstruktur. Hier tritt auch erstmals ein Piano in die Instrumentenriege ein und alles wirkt wie ein sehr ruhiger Folksong, wie es sie zu tausenden geben mag. Doch auch hier darf man nicht zu voreilig Urteilen; Es wechseln sich erneut englische und indische Textpassagen ab und vermitteln so zwischen den Kulturen.

Insgesamt prallen bei "Everything Scared" von Yorkston, Thorne und Khan gleich zwei Folk-Einflüsse aufeinander und vereinen sich doch zusammen als wären sie seit je her untrennbar. Mal mit Text, mal instrumental. Eine Reise durch die Kulturen und doch nur ein Ausflug in die Klanggewohnheiten vor der eigenen Haustür. „Everything Scared“ ist so ein angenehm ruhiger Einstieg in das bevorstehende Jahr, der beweist, dass ein Kulturaustausch zumindest auf musikalischer Ebene einfach zu sein scheint und ungemein bereichert. (Julian Minor | CT das radio)

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